GM Sebastian Siebrecht. Foto: Christian Bossert, Schachzentrum Baden-Baden

Auge in Auge mit GM Siebrecht - ein Erfahrungsbericht aus Baden-Baden

von Volker Gries, 23.08.2010

Bericht vom Sommer-Open Baden-Baden

Die nachstehende Partie könnt ihr mit den folgenden Kommentaren von Volker auch herunterladen und auf Eurem Rechner nachspielen. Einfach hier klicken!

Die bekannte Kurstadt Baden-Baden
war Mitte August Austragungsort eines mit sechs GM und fünf IM recht stark besetzten Opens. Die 153 Namen umfassende Teilnehmerliste wurde angeführt von GM Maxim Turov aus Russland mit einer 2600er ELO-Zahl.

Aller Anfang ist schwer
Während die Favoriten in den ersten vier Runden überwiegend die erwarteten Punkte einfuhren, musste ich schon drei Remisen gegen nominell schwächere Gegner abgeben. In Runde 5 konnte ich aber mit einem Weiß-Sieg wieder Boden gut machen, so dass ich mit 3½ aus 5 einigermaßen gut da stand.

Glück im Urlaub
Meine Urlaubslaune hatte sich dadurch deutlich verbessert, insbesondere nachdem ich erfuhr, in Runde 6 gegen einen Großmeister antreten zu können. Leider war ich in meinem Königsinder relativ chancenlos. Der Großmeister belagerte so lange schulmäßig die in meiner Stellung provozierten Bauern- und Felderschwächen, bis ich entnervt aufgab. Das machte mir zwar verständlicherweise nicht allzu viel Spaß, war aber trotz allem mein persönliches Turnier-Highlight. Die siebte Runde brachte mir nur noch ein weiteres Remis ein, so dass mein Endergebnis von 4 aus 7 doch eine leise Enttäuschung darstellte.

Die ganz oben
An der Tabellenspitze saßen sich in der Schlussrunde sechs Spieler mit je 5 aus 6 gegenüber. Am Ende siegte GM Andrey Orlov aus Russland dank besserer Wertung vor GM Maxim Turov und dem Niederländer IM Maarten Solleveld, mit jeweils 6 aus 7.
Alles in allem eine gelungene Veranstaltung in ansprechendem Ambiente, die ich durchaus weiter empfehlen kann.

Und hier das Highlight!
GM Siebrecht,Sebastian (2417) – CM Gries,Volker (2168)
Open Baden-Baden (Runde 6), 14.08.2010
E92: Königsindisch (Klassisches System)

1.d4 Sf6 2.c4 g6 3.Sc3 Lg7 4.e4 d6 5.Sf3 0–0 6.h3 e5 7.d5 a5 8.Lg5 Sa6 9.Le2 Sc5 10.Sd2 Ld7 11.Tb1 h6 12.Le3 Se8 13.Sb3N

Dazu gibt es keine Vorgängerpartie in ChessBase. Der Zug erscheint aber durchaus logisch, denn die einzige aktive schwarze Figur wird zu einer Erklärung gezwungen.
[13.g4 f5 14.exf5 gxf5 15.Tg1 Kh8 16.g5 e4 17.gxh6 Lf6 18.Sb3 Sxb3 19.Dxb3 a4 20.Dc2 De7 21.Lf4 Le5 22.Dd2 Sf6 23.Tg7 Lxf4 24.Dxf4 Tf7 25.Tg5 Sh7 26.Tg6 Sf8 27.Tg3 De5 Zvjaginsev,V (2585)-Nijboer,F (2510)/Wijk aan Zee 1995/1–0 (49)
13.0–0 f5 14.exf5 gxf5 15.f4 exf4 16.Lxf4 Sf6 17.Dc2 Sfe4 18.Scxe4 fxe4 19.Le3 Lxh3 20.Txf8+ Kxf8 21.Sxe4 Dh4 22.Sxc5 Dg3 23.Se6+ Kg8 24.De4 Te8 25.Lf2 1–0 Comas Fabrego,L (2465)-Marcet Bisbal,A (2340)/Barbera 1997]

13...Sxb3 In Betracht kommt natürlich auch b6, aber ich wollte nach dem Abtausch unmittelbar c5 spielen.
14.Dxb3 c5 [14...f5 15.exf5 gxf5 16.Dxb7=]
15.dxc6 Natürlich nicht Dxb7 wegen Tb8 mit Remis.
15...bxc6 16.Td1

16. ... Db8 war wahrscheinlich keine gute Idee

16. ... Db8 war wahrscheinlich keine gute Idee

16... Db8?

Das war das Ergebnis einer fatalen Fehleinschätzung, denn ich hatte nicht damit gerechnet, dass Weiß die Damen tauschen würde. Ich hatte nur Dc2 erwartet, wonach f5 und nachfolgendes Le6 dem Schwarzen eine ordentliche Stellung beschert hätte.
Außerdem hatte ich lange überlegt, ob ich c5 spielen sollte, das hässliche Loch auf d5 zulassend, aber die Zentrumsstellung zumindest so geschlossen wie möglich zu halten. Davon nahm ich aber Abstand, weil ich glaubte, dass die Stellung für Schwarz passiv werden würde, während Weiß einfache Pläne auf der d-Linie verwirklichen könnte, ohne größere Risiken eingehen zu müssen. [16...Tb8!? 17.Dc2 Le6²; 16...c5 17.0–0 Tb8 18.Sb5±]

17.Dxb8± [17.Dc2 f5 18.c5 f4 19.Lc1 Le6±]
17...Txb8 18.b3 f5

Nach längerem Nachdenken kam ich jetzt zu der Erkenntnis, dass ich nicht mehr in der Lage war, den verheerenden Vorstoß c5 zu unterbinden. Daher suche ich mein Heil am Königsflügel.
[18...c5 19.Lxc5 dxc5 (19...Lxh3 20.Lxd6+-) 20.Txd7 Sf6 21.Ta7+-]

19.c5±

19. c5 erschüttert die schwarze Stellung in ihren Grundfesten


f4 20.Lc1 Tf6 [20...d5 21.exd5 e4 22.Sa4 cxd5 23.Sb6+-]
21.0–0 f3?!

Dieser Zug entlockte dem Großmeister zwar ein Anheben der Augenbrauen, ist im Endeffekt aber nur ein Bauerntausch, der unnötig Zeit verschenkt, die zur Stabilisierung der Zentrumsposition benötigt wird. Es sollte unmittelbar Lf8 geschehen, obwohl das meine Lage auch nicht grundlegend verbessert.
[21...Lf8 22.Sa4 Tb7 23.La3±]

22.Lxf3± Lxh3 23.Le2 Lc8 [23...Le6 24.cxd6 Td8 25.Sa4 Sxd6 26.Sc5+-]
24.La3 Lf8 25.Sa4 Le7 [25...Kh7 26.Td2 dxc5 27.Lb2+-]
26.Lb2 g5 27.Lc3


Schwarz gab auf:

Der Druck auf meine Stellung ist so groß geworden, dass mir langsam die Züge ausgehen. Gegen die vielfältigen Drohungen wie Lxa5, Sb6, cxd6 oder Turmverdopplung gibt es weder nennenswertes Gegenspiel, noch ausreichende Verteidigungen.
[27.Lc3 Kf8 28.Lxa5 dxc5 29.Lc3+-]

1–0

 

Kommentare

Datum: 29.08.2010 - 17:39 Uhr
Name: Boris

Danke für den Beitrag, Volker!
Kleine abstrakte Anmerkung zur Psyhologie der Titelträger (so bis 2600 ELO, weiter agiert man evtl. konkreter).
Hat man eine Wahl zwischen dem komforten Vorteil mit oder ohne Damen, entscheiden sich m.E. 7 bis 8 Spielen für "ohne". Prinzipiell.
So wurde es noch von Alechin(!) empfohlen...
Kommentar schreiben

Email-Benachrichtigung bei neuen Kommentaren

Botprotect abtippen*:

* Pflichtfelder