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50 Jahre SV Oberursel

Eine Zusammenfassung von Walter Köster, Mai 1983
Die Organisation der Schachspieler in Vereinen im heutigen Sinn begann im wesentlichen in den Jahren nach dem 1.Weltkrieg. Es gab zwar schon vorher Schachvereine, doch waren dies Zusammenschlüsse des gehobenen Bürgertums, die sich gegen Angehörige anderer Stände mit allen Mitteln abschlossen.

Der Umsturz im Jahre 1918 brachte zunächst eine Wende: die exklusiven bürgerlichen Vereine lösten sich, bis auf einige Ausnahmen, die sich radikal umstellten, auf.

Spieler, die keine Möglichkeit hatten sich einem bürgerlichen Schachverein anzuschließen, gründeten den Arbeiterschachbund.

Dies führte zu einer jahrzehnte andauernden Zersplitterung des Schachlebens bis etwa 1933.

Mannschaftskämpfe waren damals nicht in Mode, überdurchschnittlich starke Spieler konnten sich an Einzelturnieren beteiligen.

Es bildeten sich Schachvereine, die für jeden offen waren. So wurde in den Jahren 1920 und 1921 viele Vereine gegründet. Auch in Oberursel soll 1921 ein Verein entstanden sein, über den allerdings nichts mehr zu ermitteln ist. Wahrscheinlich ist er in den Wirren der Inflationszeit untergegangen. Es ist klar, dass ein geregelter Spielbetrieb nicht möglich ist, wenn am Spielabend ein Glas Bier 500 Milliarden Mark kostet.

Ein neuer Anfang wurde 1924 gemacht. Ob dieser neue Verein dem Deutschen Schachbund oder dem Arbeiterschachbund angehörte, ist nicht mehr festzustellen. Auf jeden Fall wurden aber keine Unterschiede zwischen Angehörigen verschiedener sozialer Schichten gemacht. Einige Namen sind noch bekannt:
Javurek, Moser, von Fahland, Münzberg, Neumann, Feinberg, Steinbach, Westenburger, Neuroth, Mergheim, Lange, Homm, Steyh.

Von schachlichen Ereignissen ist kaum etwas bekannt, der Chronist erinnert sich, als Schüler von Freundschaftsspielen gegen Oberhöchstadt und Rödelheim in der Zeitung gelesen zu haben. Der Verein wird sich in der großen Wirtschaftskrise um 1930-1932 aufgelöst haben.

Nach Besserung der Verhältnisse trafen sich im Frühjahr 1933 folgende Schachspieler zu Besprechungen über eine Neugründung:
Faulstich, Bauser, Javurek, Moser, Kupferschmidt, Ruppel, Niemeyer, Dietrich, Kühnel, Schäfer.

Von diesen Gründern lebt heute keiner mehr.

Der Verein wurde dann im Mai 1933 gegründet. Das genaue Datum kann nicht mehr festgestellt werden, weil die Akten des Vereins nach dem 2.Weltkrieg nicht mehr aufgefunden wurden. Der Chronist trat dem Verein bei, nachdem er in der Zeitung eine Notiz über die Gründung gelesen hatte. Den Vorsitz führte in den Gründungswochen J. Niemeyer. Dann gab er das Amt an den Vereinswirt W. Bauser (Turnhalle) ab. Als Bauser 1935 die Pacht der Turnhalle aufgab und eine Gastwirtschaft in Frankfurt übernahm, wurde der Chronist kurzerhand zum 1.Vorsitzenden kommandiert.

Der Spielbetrieb war im Anfang sehr rege. Gespielt wurde Mittwochs in der Turnhalle, Samstags im Café Ruppel. Im Anfang traf man sich oft mit dem benachbarten Schachverein Bad Homburg. Es waren keine offiziellen Wettkämpfe. Man spielte Schach oder Skat oder kegelte, wenn eine Bahn vorhanden war. Diese Treffen hörten auf, als 1934 Kreismeisterschaften eingeführt wurden. In der l. Klasse spielten Bad Homburg, Kronberg, Anspach und Oberursel, in der 2.Klasse Seulberg, Bad Homburg 2 und Oberursel 2. Gespielt wurde doppelrundig. Über die Ergebnisse existieren keine Unterlagen mehr. Der Chronist erinnert sich, dass Oberursel einmal Kreismeister wurde. Die Mannschaft spielte in der Aufstellung: Ranft, Faulstich, Javurek, Kupferschmidt, Moser, Köster, Ruppel und Kühnel. Ein Aufstieg fand nicht statt. Oberursel bemühte sich auch nicht darum, denn bei einem Jahresbeitrag von 2.- Mark im Jahr waren Fahrten etwa nach Flörsheim oder Rüsselsheim nicht zu finanzieren und die Mitglieder konnten diese Kosten auch nicht auf bringen, weil die meisten jahrelang erwerbslos gewesen waren und deshalb einen großen Nachholbedarf an Anschaffungen hatten. Der Obertaunuskreis gehörte damals zur Main- Taunus- Schachvereinigung die allerdings nur dann ein Lebenszeichen gab, wenn der Verbandsbeitrag fällig war.

Etwa ab Spätsommer 1936 ließ der Spielbetrieb stark nach. Die NSDAP und ihre Gliederungen nahmen die Mitglieder immer stärker in Anspruch, so dass die Spielabende oft nur von 2 oder 5 Mitgliedern besucht werden konnten. Es kam öfters vor, dass Mitglieder um 19.30 Uhr eilig ankamen, schnell l Partie spielten und dann wieder fort stürmten, um ihren politischen Verpflichtungen nachzukommen. Ein Vorfall war typisch für die damaligen Verhältnisse. Vor einem Wettkampf gegen Seulberg konnte Oberursel wegen der politischen Verhältnisse (Absagen wegen SA- Dienst, Sammeltätigkeit u.a.) die erforderlichen 6 Spieler nicht zusammenbekommen. In der Not erinnerte sich ein Mitglied daran, dass ein 15- jähriger Lehrling eines gegenüber wohnenden Tapezierermeisters ihn gefragt hatte, ob er bei uns das Schachspielen lernen könnte. Der Lehrling wurde geholt, notdürftig in die Spielregeln eingeweiht und am Sonntag eingesetzt. Er war dann der einzige Oberurseler, der seine Partie gewann, alle anderen verloren. Nach dem Wettkampf stellte sich heraus, dass der Gegner aus den gleichen Gründen in die gleichen Schwierigkeiten geraten war und auf den gleichen Ausweg gekommen war. Ob die Spielregeln immer beachtet wurden, war nicht mehr festzustellen, denn auch in Bezug auf das vorgeschriebene Aufschreiben der Züge waren beide Spielleiter auf die gleiche Idee gekommen. Sie hatten die beiden Anfänger angewiesen, unleserliche Schnörkel auf das Turnierblatt zu kritzeln.

Auch der Versuch, durch eine gesellige Veranstaltung das Vereinsleben zu aktivieren, scheiterte an der Politik. Einige Tage vor dem im Café Ruppel angesetzten Tanzvergnügen war Österreich eingegliedert worden. Dem damaligen Ortsgruppenleiter der NSDAP kam nun am Freitag nachmittag die Idee, am Samstag abend auf dem Marktplatz eine Großkundgebung zu veranstalten. Da man davon erst am Samstag mittag durch Rundfunk und Presse erfuhr, war es nicht mehr möglich, abzusagen. So kam es, dass bei einer Kapelle von 4 Mann nur 4 Mitglieder anwesend waren, die zudem noch befürchten mußten, Schwierigkeiten mit der Gestapo zu bekommen. Einige Zeit später kam es nach einem Spielabend zu einem unangenehmen Zwischenfall. Ein zufällig im Café Ruppel anwesender SS-Mann in Zivil nahm Anstoß daran, dass sich unser Vereinsmeister Ranft mit dem Gruß "Guten Abend" verabschiedete, anstatt mit dem damals vorgeschriebenen "Heil Hitler". Der Chronist mußte etwa 2 Stunden lang verhandeln, bis sich der SS-Mann zu einem Verzicht auf eine Anzeige bei der NSDAP bewegen ließ.

Die Oberurseler Vereine wurden damals immer mehr zur Unterhaltung der in Oberursel untergebrachten "Kraft durch Freude"- Urlauber herangezogen (selbstverständlich ohne Entgelt). Der Chronist beteiligte sich vorsichtshalber an jeder vorbereitenden Sitzung und bedauerte jedesmal außerordentlich, dass es dem Schachverein nach seinem Tätigkeitsbereich so gar nicht möglich war, etwas zur Unterhaltung beizutragen. Von lebenden Schachspielen und dergleichen ließ er vorsichtshalber nichts verlauten. Als Vorsitzender eines kleinen Provinzvereins brauchte er ja von solchen Möglichkeiten nicht unbedingt etwas zu wissen.

Der Chronist ging dann im Oktober 1936 nach Magdeburg. Über die Zeit bis Kriegsausbruch ist ihm nichts Besonderes bekannt geworden. Wahrscheinlich lief der Vereinsbetrieb unter der Leitung des neuen Vorsitzenden E.Dietrich in den gewohnten Bahnen weiter.

Mit dem Ausbruch des 2.Weltkriegs begann für den Schachverein Oberursel eine durchwachsene Zeit. Zwar wurden von 18 Mitgliedern 10 zum Militärdienst eingezogen. Dieser Verlust wurde aber ausgeglichen durch die Wachmannschaften des Oberurseler Durchgangslagers für abgeschossene englische und später auch amerikanische Flieger. Die Wachmannschaften waren Österreicher, die sehr eifrig und zum größten Teil auch recht gut spielten. Einer davon, ein Unteroffizier Hofer spielte sogar ganz ausgezeichnet. Der Spielabend wurde damals mit Rücksicht auf diese Soldaten in das Gasthaus "Zum Taunus" in die Altkönigstraße verlegt. Der Chronist war jedenfalls bei seinen verschiedenen Genesungsurlauben sehr überrascht von dem lebhaften Spielbetrieb.

Sofort nach Kriegsende begann J. Niemeyer den Verein wieder aufzubauen. Von den 10 zum Kriegsdienst eingezogenen waren allerdings 6 gefallen, darunter der Vereinsmeister Ranft. Ein weiteres Mitglied, Artur Fischer, erlag einige Jahre später einem schweren Herzleiden, das er sich in der Kriegsgefangenschaft zugezogen hatte. Der Verein hatte also durch den Krieg 7 Mitglieder verloren:

  • Theodor Ranft
  • Heinrich Bock
  • Anton Kamper
  • Walter Weber
  • Herbert Gehrigk
  • Karl Witte
  • Artur Fischer.
Beim Neuaufbau des Vereins nutzte J. Niemeyer seine beruflichen Beziehungen aus. Er war als städtischer Angestellter auf dem Einwohnermeldeamt tätig und benutzte die Gelegenheit, jeden Heimkehrer und Neubürger zu fragen, ob er Interesse am Schachspiel habe. Auf diese Art bekam er recht schnell einen ziemlich großen Verein zusammen. Der Spielbetrieb litt unter großen Schwierigkeiten. Vom vereinseigenen Material konnten nur noch 2 Spiele und l Schachuhr aufgefunden werden. Die Mitglieder mußten also ihre eigenen Spiele mitbringen. Hin und wieder fiel der Strom aus und es mußte beim Schein von sogenannten Hindenburglichtern gespielt werden. In der kalten Jahreszeit mußte jedes Mitglied Heizmaterial mitbringen, pro Kopf entweder ein Brikett oder 2 Scheit Holz. Der Spielabend endete meistens schon um 21.30 Uhr, da auf 22 Uhr Sperrstunde festgesetzt war. Wer sich nach 22 Uhr auf der Straße blicken ließ, wurde von der Militärpolizei verhaftet und eingesperrt. Zu trinken gab es oft nur gut gechlortes Leitungswasser, sonst nur Dünnbier oder Limonade. Beides unterschied sich weder in der Farbe noch im Geschmack.

Eines Abends waren 2 amerikanische Soldaten anwesend. Man sah Ihnen an, dass sie gern mitgespielt hätten, aber das sog. Fraternisieren mit der Bevölkerung war damals noch strengstens verboten. Der Chronist bestellte ein Glas Bier und erhielt eine trübe, graue Flüssigkeit, die aussah, als ob jemand über dem Glas einen nassen Putzlappen ausgedrückt hätte. Es schmeckte auch so ähnlich. Der Chronist sagte zum Wirt: "Um Gotteswillen, Herr Westenburger, was ist denn das für eine entsetzliche Brühe". Daraufhin fühlten sich die Soldaten veranlaßt, für jeden Anwesenden 2 Gläser Wein zu stiften (gegen Dollar konnte man damals alles bekommen).Es war ein unerwarteter Hochgenuß. Nur den anwesenden Jugendspielern bekam die Sache nicht sehr gut. Sie hatten ja durch die Kriegsverhältnisse bedingt noch nie Alkohol getrunken und verabschiedeten sich später mit hochroten Köpfen und ziemlicher Schlagseite.

Auch die Mannschaftsmeisterschaften des Unterverbandes bereiteten große Schwierigkeiten. Um z.B. Neu- Isenburg zu erreichen, mußte man zunächst nach Heddernheim fahren, um dort in die Linie 25 umzusteigen, vorausgesetzt, dass die Linie 24 Heddernheim überhaupt erreichte und nicht, was vorkommen konnte, mit einem Defekt auf der Strecke liegen blieb. Von Heddernheim ging es mit der Linie 25 weiter bis zum Eschenheimer Turm. Von dort aus war ein Fußmarsch anzutreten über Trümmer und Schutthügel bis zum Main. Über einen hölzernen Notsteg ging es dann auf das andere Ufer, wo man ziemlich lange auf die Straßenbahn von 0ffenbach warten mußte. Die Rückfahrt mußte schon sehr früh angetreten werden, weil die Linie 24 schon um 20 Uhr ihren Dienst einstellte.

Ganz am Anfang hatten wir einen Wettkampf in Limburg auszutragen. Die Bahnlinie war noch gesperrt, Autos durften Sonntags wegen der Benzinknappheit nicht fahren. Es gelang uns einen geschlossen LKW mit Rohölmotor aufzutreiben, für den das Fahrverbot nicht galt. An dem Wagen war so ziemlich alles kaputt, was überhaupt kaputt sein konnte. Nur der Motor war noch in Ordnung. Beleuchtung war nicht vorhanden, der Fußboden bestand im wesentlichen aus Löchern, die Fenster waren mit Säcken zugehängt und nach dem Einsteigen wurde die Tür von außen mit Draht zu-gebunden. Heute käme ein derartiges Fahrzeug auf der Autobahn keine 100 Meter weit, ohne von der Polizei aus dem Verkehr gezogen zu werden. Aber damals war man froh, dass man überhaupt etwas Fahrfähiges hatte.

Es gelang der l. Mannschaft im Jahr 1948 in die Bezirksklasse aufzusteigen. Die Bezirksklasse war damals die höchste Klasse des Hessischen Schachverbandes. Mit der Normalisierung der Verhältnisse nach der Währungsreform änderte sich vieles. Eine ganze Anzahl von Spielern, meist Ausgebombte, zog wieder in ihre Heimat zurück, andere mußten erst wieder eine Existenz aufbauen.

So stieg der Verein 1951 wieder in die Kreisklasse ab. Es folgten schachlich recht schlimme Zeiten. Für die Mannschaftswettkämpfe standen meist nur etwa 5 oder 6 Spieler zur Verfügung. So belegte Oberursel fast immer den letzten Platz.

Erst etwa ab 1960 änderten sich die Verhältnisse. Durch Zuzug stärkerer Spieler konnte die Mannschaft bis in die damals zweithöchste Klasse des Hessischen Schachverbandes, die Unterverbandsklasse, aufsteigen.

Für den Verein begann nun die vom sportlichen Standpunkt betrachtet wertvollste Zeit. Der Verein beteiligte sich an allen erreichbaren Turnieren, ohne erst lange nach Erfolgsaussichten zu fragen. Im Inland (außer Hessen) wurde gespielt in: Berlin, Bielefeld, Münster, Wuppertal, Düsseldorf, Bonn, Bitburg, Siegen, Saarbrücken, Neustadt(Pfalz), Mannheim, Heidelberg und München. Im Ausland war Oberursel an Turnieren in Bad Mondorf (Luxemburg), Straßburg, Erlenbach (Züricher See), Hettingsdorf (Niederösterreich) und Gablonz (Tschechoslowakei) beteiligt.

Die l. Mannschaft stieg von der Bezirksklasse zunächst in die Unterverbandsklasse, dann in die Landesklasse und sogar in die Oberliga auf. Im ersten Jahr der Zugehörigkeit zur Oberliga wurde sogar bei den Meisterschaften der 5.Platz belegt. Dann begann allerdings wieder ein Abstieg. Im Bestreben, sich im Vorderfeld der Oberliga zu halten, verpflichtete man starke Spieler von auswärts, die nicht in die Mannschaft paßten und es auch sehr an Zuverlässigkeit fehlen ließen. Die Mannschaft mußte wieder in die Landesklasse absteigen. Durch Fusion mit Nord-West ging dann später auch der Platz in der Landesklasse verloren.

In der Zwischenzeit richtete der Verein mehrmals Verbandsveranstaltungen aus. Hervorzuheben sind dabei die Jugendländerkämpfe Hessen- Saarland, die zwischen 1952 und 1958 abwechselnd in Saarbrücken und in Oberursel an jeweils 20 Brettern ausgetragen wurden. Das Jubiläumsjahr 1958 brachte eine schwere Enttäuschung. Oberursel hatte sich zur Feier des 25- jährigen Bestehens als einziger Verein um die Austragung der Hess. Einzelmeisterschaft beworben. Als der Zeitpunkt der endgültigen Vergabe herankam, meldete sich plötzlich verspätet ein anderer Verein, gleich mit der Drohung, nie mehr eine Verbandsveranstaltung auszurichten wenn nicht die Ausrichtung der Hessenmeisterschaft übertragen würde. (Der Chronist konnte sich allerdings nicht erinnern, dass dieser Verein jemals eine Verbandsveranstaltung übernommen hatte). Der Hess. Schachverband übertrug dann die Hessenmeisterschaft 1958 dem anderen Verein. Oberursel richtete dann noch, wie bereits vorher vereinbart, den Jugendländerkampf Hessen- Saarland 1958 aus. Seitdem wurde keine Verbandsveranstaltung mehr von Oberursel übernommen.

Hervorzuheben sind noch die großen Mannschaftsblitzturniere anläßlich des Oberurseler Heimatfestes. Ursprünglich nur für die Vereine der Umgebung gedacht, entwickelte sich die Veranstaltung zu einem Großturnier, das von Vereinen aus der ganzen Bundesrepublik besucht wurde. Insbesondere stark war immer Nordrhein-Westfalen vertreten, es kamen aber auch Vereine aus Niedersachsen und sogar Schleswig- Holstein. Der Chronist bedauert sehr, dass dieses Blitzturnier nicht mehr ausgerichtet wird. Er hofft immer noch, dass der Vorstand gelegentlich unvoreingenommen prüft, ob eine Wiedereinführung dieser traditionsreichen Veranstaltung nicht doch möglich ist.

Im Jahr 1972 wurde der Schachverein Oberursel vom Deutschen Schachbund mit der Ausrichtung der deutschen Schachmeisterschaft beauftragt. Die Meisterschaft wurde in der internationalen Schule hier in unmittelbarer Nachbarschaft ausgetragen. Schachlich, organisatorisch und finanziell (dank der Hilfe der Stadt Oberursel) klappte alles, bis auf die Öffentlichkeitsarbeit, die völlig versagte. Deshalb brachte diese Veranstaltung keinerlei Mitgliederzuwachs für den Verein. Man hatte für die organisatorischen Vorbereitungen einen Ausschuß von Mitgliedern eingesetzt, dabei aber den Fehler gemacht, die Ausschußmitglieder nach der Spielstärke statt nach Eignung und Einsatzbereitschaft auszusuchen.

Einige Monate später kam es zu einer Katastrophe. Aus unerfindlichen Gründen kam es zu einer Fusion mit dem benachbarten Schachklub Nord- West. Der Chronist opponierte mit allen Mitteln, leider ohne Erfolg. Auch seine Proteste beim Hess. Schachverband, der die Fusion zu genehmigen hatte, wurden mit sehr fadenscheinigen Begründungen zurückgewiesen. Einige Fusionsfreunde sollen sich damals "gerettet" gefühlt haben. Vor was gerettet, konnte der Chronist nicht feststellen. Auf Fragen danach bekam er keine Antwort, auf jeden Fall hätten sich beide Vereine viel Ärger und Schaden ersparen können, wenn sie auf die Warnungen des Chronisten gehört hätten. Den Verlauf der nächsten 5 Jahre wird man am besten mit Stillschweigen übergehen. Es kam, wie es der Chronist von Anfang an erwartet hatte. Die Fusion löste sich nach heftigem Streit (es soll sogar zu gerichtlichen Auseinandersetzungen gekommen sein) auf. Im Prinzip ist dazu zu sagen: Fusionen werden immer wieder notwendig sein. Sie müssen aber gründlich vorbereitet und vor allem gründlich durchdacht sein. Sie dürfen niemals unter Zeitdruck vorgenommen werden, sonst ist der Zerfall kaum zu verhindern. Dem Hess. Schachverband ist zu empfehlen, vor der Genehmigung einer Fusion die Notwendigkeit und vor allem rechtlichen Voraussetzungen des Zusammenschlusses genau zu prüfen.

Alles zusammengefaßt, ergibt sich das Bild eines Vereins, der Höhen und Tiefen durchgemacht hat, Zeiten mit sehr gut besuchten Spielabenden wechselten mit Zeiten, in denen man sehr froh war, wenn einmal 4 oder gar 6 Spieler kamen, statt wie gewohnt nur 2. Der Verein hat Zeiten erlebt, in denen er für seine Mannschaft höchstens 5 oder 6 Spieler zusammenbekommen konnte und von vornherein keine Aussicht hatte, über den letzten Platz der untersten Klasse hinaus zukommen. In solchen Fallen hilft nur Geduld, Ausdauer und insbesondere intensive Jugendarbeit. Dann wird es eines Tages auch wieder besser gehen. Auch gesellige Veranstaltungen gehören zum Vereinsleben. Ganz darauf zu verzichten ist grundsätzlich falsch. Derartige Veranstaltungen fördern das Zusammengehörigkeitsgefühl und das Verständnis untereinander. Auch Bestrebungen, dem Verein möglichst nur starke Spieler zuzuführen, sind eher schlecht. Ein Verein muß in seiner Zusammensetzung aussehen wie eine Pyramide, mit einer möglichst breiten Basis aus schwächeren Spielern und Förderern, auf denen dann die stärkeren Spieler und Spitzenspieler aufgebaut sind. Ein Verein, in dem nur oder überwiegend stärkere Spieler sind, sieht aus wie eine auf den Kopf gestellte Pyramide. Dass das eine höchst unsichere, wackelige Sache ist, sollte eigentlich einleuchten. Von den Mitgliedern ist zu verlangen, dass sie sich bei allen Entscheidungen nur vom Interesse des Vereins leiten lassen. Dann werden wohl einige der heute Anwesenden auch noch das 100. Jubiläum des Vereins feiern können.


(Oberursel im Jubiläumsjahr 1983, von Walter Köster)


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